Das tantrische Wunschritual
In der Abendpause treffe ich mich mit meinem Mann zum Abendessen. Erneut atme ich tief durch. Ich bin die Frau – er ist der Mann. O wie wunderbar! Wie es mir wohl gehen würde, wenn auch mein Mann ein Doppelleben führen würde, und sich in heimlichen Nächten als Frau vergnügte? Es ist schön, mit ihm über alles reden zu können und mich in der „Normalität“ zu erholen. Fröhlich, und nun nicht mehr so unsicher, fahre ich zur Gruppe zurück. Kaum habe ich die Tür geöffnet, trifft mich der Schlag. Ich bin umringt von lauter attraktiven Frauen und habe Mühe, herauszufinden, welche „Männer“ dahinterstecken. Erst einmal bin ich sprachlos, schaue und staune. Da tappe ich in das von Anfang an befürchtete Fettnäpfchen: „Ihr habt Euch alle so toll verkleidet!“ Michaela gibt mir einen Wink und nimmt mich zur Seite. „Das Wort verkleiden kränkt. Es handelt sich nicht um Verkleidung!“ Ich entschuldige mich und bitte um Verständnis, was mir freundlich gewährt wird.
Zu Beginn des Rituals muss ich mir wirklich noch weitere Zeit geben, die Frauengestalten auf mich wirken zu lassen: Kleidung, Frisur, Schuhe, Bewegung, Schminke…. Dann fasse ich mich und erkläre Sinn und Ablauf von tantrischen Ritualen. Der heutige Abend ist dem tantrischen Wunschritual in Kleingruppen gewidmet. Jede/r darf sich eine halbe Stunde lang verwöhnen lassen von den „Dienerinnen“ seiner/ihrer Gruppe. Körperliche Berührung, anerkennende Worte, Stärkung des Weiblichen - ich gebe einige konkrete Hinweise. Und bin gespannt. Das Ritual beginnt ohne jeglichen Widerstand. Vor meinen Augen entfaltet sich pure Weiblichkeit. Die Männergruppe von heute Morgen ist eindeutig zu einer Frauengruppe geworden. Und zwar nicht nur durch die äußere Veränderung.
Lauter schöne Frauen
Der Raum ist angefüllt mit weiblicher Energie, der Umgang miteinander so achtsam, fürsorglich, voller Hingabe, wie ich es nur von meinen Frauengruppen kenne. Während ich durch das Ritual hindurchführe, pulsiert reine Liebe in einem unendlichen Strom durch mich hindurch. Schon wieder fühle ich tantrische Heimatgefühle, die ganz eigene Energie des Frauenkreises. Mein Kopf hüpft immer noch ratlos hin und her und versucht verzweifelt das Erlebte in nicht vorhandene Schubladen einzusortieren. So schachmatt habe ich ihn selten erlebt. Ich beginne richtig, diese Frauen zu genießen, ihre äußere Pracht und noch viel mehr ihre innere Schönheit. Im Abschlusskreis drücken alle ihre Freude und ihr Berührt sein aus. Natürlich wollen sie wissen, wie es mir nach diesem Tag mit ihnen geht. Ich blicke im Kreis herum, schaue allen in die Augen und sage: „Im Laufe des Tages habe ich Zugang zu Euch gefunden und der heutige Abend ist für mich zauberhaft! Ihr seid alle ganz, ganz wunderschöne Frauen. Ich sehe es nicht nur, sondern ich fühle es – und das ist ein großer Unterschied!“
Ein schöneres Geschenk hätte ich ihnen nicht machen können. Das sagen mir ihre feuchten Augen. Erstaunlich, dass ich jetzt, am Ende des Tages, alle Frauennamen kenne und nur noch zwei Männernamen weiß!
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