Zeiten änderten sich…
In jungen Jahren habe ich mich ebenso ahnungslos in die Selbständigkeit begeben. Ich liebte Tantra und wollte es mit Begeisterung in die Welt bringen. Mein sicheres Beamtenleben streifte ich ab wie ein zu klein gewordenes Kleidungsstück und stand plötzlich mitten in einer großen Welt mit schier unendlich scheinenden Möglichkeiten.
Während meiner Zeit als Lehrerin hatte ich nebenbei schon viele Jahre lang Tantraseminare gegeben. Da ich finanziell nicht darauf angewiesen war, handhabte ich es locker. Die Seminare waren gut besucht. Erst als ich den Sprung in die Freiheit gewagt, und mein Lehrerdasein beendet hatte, wendete sich das Blatt. Jetzt „brauchte“ ich plötzlich das Geld meiner Seminarteilnehmer/innen, um meine Existenz zu sichern. Doch wie durch Geisterhand schrumpften meine Gruppen und ich stand plötzlich mit einem Berg Schulden da. Meine letzten hundert Mark warf ich in einem Akt von Verzweiflung in die Kasse eines verdutzten Bettlers am Straßenrand. Und atmete erleichtert auf.
Ich weiß heute gar nicht mehr, woher der Geldfluss dann wiederauftauchte. Mittellos und voller Schulden kämpfte ich mich tapfer durch. Ich besuchte mehrere Jahre lang Seminare zum Thema Geld und beruflichen Erfolg. Einen hinderlichen Glaubenssatz nach dem anderen entlarvte ich. Auch wenn ich es mir nicht leisten konnte, buchte ich einen Coach, der mir im Schnelldurchgang innerhalb von zwei Jahren ein paar nötige betriebswirtschaftliche Kenntnisse beibrachte und mich zu Statistiken zwang, die noch bis heute Unbehagen in mir auslösen. „Wenn Sie karitativ unterwegs sein wollen“, meinte er, „dann bin ich nicht der richtige für Sie!“. Er lies mich errechnen, wieviel Geld mich jeder meiner Seminarteilnehmer kostet. Auf die Idee, dass mich Menschen, die in meine Gruppen kamen, vorher schon richtig was kosten, war ich wahrlich nicht gekommen. So listete ich also Bürokosten, Personalkosten, Fortbildung, Anschaffungen, Werbung und vieles mehr auf. Und ich war überrascht, dass die Seminargebühren, die ich einnahm, nur zu einem Teil mir selbst gehörten. Das Finanzamt mit seinen unerbittlichen Steuerprüfern hatte in diesen mageren Jahren noch nicht einmal seine Fangarme nach mir ausgestreckt.