Frustration? Oder doch lieber Spurensuche…
Die ehrlichen Aussagen von Frauen und die Ergebnisse vieler Umfragen zeigen uns die Fakten auf. Wir haben die Wahl, in die kollektive sexuelle Frustration hineinzuversinken oder auf Spurensuche zu gehen.
Die Lust der Frau steckt in unserer Kultur noch in den Kinderschuhen. Unsere Omas machten vermutlich in ungeheizten eiskalten Schlafzimmern die eher am Mann orientierte Lust mit: zielgerichtet, schnell, orgasmusfixiert. In der Tat hat die Evolution anscheinend den gesunden Mann mit diesen flotten Talenten ausgestattet. Und das muss wohl einen Sinn haben oder einmal gehabt haben: Im Frühjahr kann man das wilde Lusttreiben am See beobachten. Eine einzige Ente wird umschwärmt, bedrängt, angeflogen und schließlich begattet von Erpel in Hülle und Fülle. Um seinen Samen in den Wettkampf um das Überleben des Stärksten wirksam einschleusen zu können, muss so ein Erpel nicht die Gunst der Stunde, sondern die Gunst der Sekunde erhaschen: abspritzen und schnell weg. So kommen der nächste und übernächste und noch weitere zum Ziel. Im Bauch der Ente geschieht dann die große evolutionäre Entscheidung: Millionen von sprintbereiten Spermien sind am Start. Dass nach schneller Abgabe des Erbgutes ein Erpel schlapp und müde dahinschwimmt, ist nicht böse gemeint. Es ist notwendig, damit möglichst zügig unterschiedliches Saatgut die empfangsbereite Entendame erreichen kann und der Spermaablieferer nicht das Ziel der Evolution vereitelt, indem er wie ein eifersüchtiger Gockel versucht, Mitbewerber abzuwehren. Stattdessen segnet ihn die Natur mit Müdigkeit und er sucht sich nach getanem flottem Akt eine weniger anstrengende Tätigkeit, oder macht eben nach dem Fickerchen ein Nickerchen. Und die Ente? Ihr Wasserkessel dampft, lodert und kocht, bis alles nur erdenkliche Liebesmaterial für beste Evolutionszwecke aufgesammelt wurde.
Soweit ein Ausflug in die Natur. Könnte es sein, dass davon noch hier und da etwas in unseren Poren und Zellen pocht? Doch ach, welch´ Drama für die begabte Liebhaberin! Während die Ente genüsslich auf dem Teich schwimmt und sich vom Frühlingsahnen und vielfältigen Umwerbungen die Lust in die Adern treiben lässt, versucht die moderne Frau dem flotten Rhythmus eines vereinzelten Erpelmannes zu folgen: Kaum im Bett, ergreift sie die falsche Chance, und strengt sich an, in eigener Regie selbst Lust zu produzieren. Falls dies trotz Druck sogar gelingt, kommt die eine zweite Selbstkasteiung dazu: jetzt gilt es mitzuhalten im Wettlauf um den ersehnten Orgasmus. Während der Mann beim gewohnten Kurzstreckenlauf durch die Ziellinie hechelt, ist sie noch nicht einmal gestartet. Ein merkwürdig schwerer Klotz am Bein hält sie zurück. Dieser Klotz jedoch ist ihre Rettung: in ihm steckt das ganze Programm der Frauenlust. „So nicht!“ schreit der Klotz. Anstatt jetzt enttäuscht danieder zu sitzen, wütend auf den schnarchenden Mann zu werden oder sich schnell an einem sicheren Örtchen selbst zu befriedigen, könnte die sexuelle Unzufriedenheit als Chance gesehen werden.
„Alleine ist dennoch alles einfacher. Mit meinem Partner muss ich immer wieder gegen meine Scham ankämpfen, mir immer wieder einreden, dass ich auch ein Recht auf einen Orgasmus habe, dass ich das Recht habe, dass ein Mann sich um mich bemüht, dass ich sein Zeit, auch viel Zeit, in Anspruch nehmen darf.“
Frauen können es sich bequem machen, tief durchatmen und den hemmende Lustklotz in Augenschein nehmen:
Und hier betreten die meisten Frauen tatsächlich Neuland: Habe ich wirklich das Recht, auf eine eigene Sexualität, die so ganz anders ist als die des Mannes? Darf ich Zeit brauchen? Darf ich ganz andere Berührungen wünschen? Darf ich während des Liebesspieles stop sagen, weil mir alles weh tut? Was, wenn er gerade kurz vor dem Orgasmus steht? Wird er sauer reagieren? Soll ich noch ein bisschen aushalten oder schnell vortäuschen und ihm damit zu schnellerem Orgasmus und mir selbst zur Erlösung vom falschen Sex verhelfen?
Ehrlich gesagt ist das, was im Bett fehlt, das was alle heutigen Menschen am dringendsten brauchen: Zeit, Entspannung, Muse. Nur: woher nehmen, wenn nicht stehlen? Der pralle Alltag mit seinen Millionen Tätigkeiten ist grausam im Verteidigen seines Hamsterrades. Frauen sind besonders belastet. Zur normalen Erschöpfung gesellt sich statt Liebe noch der sexuelle Leistungsdruck: öfter, schneller, besser, länger, leidenschaftlicher, einzigartiger….
Könnte das genüßliche Liebesbett nicht die Rettung sein statt zusätzlicher Leistungssport? Vermutlich braucht man eine neue Liebesstatt, da das Bett schon zu sehr auf sexuelle Gewohnheiten programmiert ist. Ein Neuanfang tut not. Frauen brauchen nicht zu warten, bis der Mann sich ändert. Die weiblichen Wartesäle der Hoffnung sind zwar prall gefüllt. Es ist aber ein Warten auf nichts. Eigentlich ist es ein Ausweichen.
Dornröschen hofft auf den Prinz. Er wird nicht kommen. Wenn er kommt, macht er garantiert alles falsch. Welcher Mann kann schon eine Frau wirklich glücklich machen?
Nein, der Prinz ist nicht außen: Er ist eine männliche Kraft im tiefsten Inneren der Frau. Er kann und wird genau dann und dort auftreten, wenn das innere Dornröschen des passiven Leidens bereit ist, der Opferrolle ade zu sagen. Wenn es sich in seinem hundertjährigen Schlaf der Unbewusstheit zu räkeln beginnt. Dann genau erwacht der Prinz. Er weiß um seinen Einsatz: Jede Frau ist in der heutigen Zeit Pionierin ihrer eigenen Lust und kollektive Streiterin um das Recht auf Frauenlust. Der Prinz im Innern zückt sein Schwert: Er durchtrennt das Dickicht von Selbstverrat, Rechtmacherei, Oferdasein, Frustration und sexuellem Leid. Er kämpft sich durch, bis er sich mit seiner besseren Hälfte vereinigen kann: Er befreit das Weibliche tief innen in der Frau, so dass sie es mit dem Mann außen teilen und damit beide heilen kann. Der Prinz lehrt die Frau eine Sprache, mit der sie sich für sich einsetzen kann. Er unterstützt sie darin, sich selbst kennen zu lernen und sich selbst treu zu sein. Er zeigt ihr, wie sie jede sexuelle Unzufriedenheit in Erkenntnis und Kraft zur Veränderung umsetzen kann. Er befiehlt ihr Nein zu sagen, zu allem, was sie verletzt und schmerzt! Er sorgt dafür, dass sie ihre Zeit und ihren Raum bekommt, so dass ihr Wasserkessel der Lust zum Dampfen kommen kann.