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Dieser Artikel erschien im Connection-Magazin. Das Connection-Magazin - unter Regie von Sugata Wolf Schneider - widmete sich über 30 Jahre lang tantrischen Themen. Dabei war Regina Heckert viele Jahre Autorin bei Connection und veröffentlichte regelmäßig Artikel rund um die Themen Tantra, Meditation und Spiritualität.
In ihrem Artikel "Der verborgene Schatz liegt im Inneren des Körpers" erklärt Regina Heckert wie Tantra den Körper als Tempel der Seele verehrt und somit einen großen Beitrag auf dem Weg zum Schatz im Inneren leistet.
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In allen Religionen werden Wege zur Erfahrung des Göttlichen im eigenen Inneren aufgezeigt. Üblicherweise gelingt dieser Weg durch Einübung in täglicher Meditation, sowie Weisung durch einen Meister oder Lehrer, der auf dem Weg nach innen weiter fortgeschritten oder sogar erleuchtet ist. Jede Religion ist dabei nur eine bestimmte Form, die letzten Endes in die Formlosigkeit münden soll. Spirituelle Lehrer können auch ganz ohne ein religiöses Regelwerk aus eigener innerer Erfahrung heraus Hilfestellung geben.
In vergangenen Jahrhunderten haben zahlreiche Menschen in unterschiedlichsten spirituellen Traditionen den Weg zur Selbsterkenntnis und Erleuchtung beschritten. In den meisten Fällen sollte dabei der Körper sublimiert, überwunden, verleugnet werden. Sinnesfreuden und Sexualität wurden als Ablenkungen und Versuchungen abgelehnt und unterdrückt. Stattdessen erhoffte man, durch Fasten, asketische Übungen bis hin zur Selbstkasteiung zum verheißenen Licht im Inneren zu finden. Tantra geht in dieser Hinsicht einen radikal anderen Weg: das Erwachen soll nicht durch einen Kampf gegen den Körper geschehen. Ganz im Gegenteil: der Körper wird zum wichtigsten Instrument auf dem Weg zur Wahrheit.
„Ein Bettler hatte mehr als dreißig Jahre am Straßenrand gesessen. Eines Tages kam ein Fremder vorbei. „Hast du mal ´ne Mark?“, murmelte der Bettler und hielt mechanisch seine alte Baseballmütze hin. „Ich habe dir nichts zu geben“, sagte der Fremde und fragte dann: „Worauf sitzt du eigentlich?“ „Ach“, antwortete der Bettler, „das ist nur eine alte Kiste. Da sitze ich schon drauf, solange ich zurückdenken kann.“ „Hast du da mal reingeschaut?“, fragte der Fremde. „Nein“, sagte der Bettler, „warum auch? Es ist ja doch nichts drin.“ „Schau hinein“, drängte der Fremde. Es gelang dem Bettler, die Kiste aufzubrechen. Voller Erstaunen, Unglauben und Begeisterung entdeckte er, dass die Kiste mit Gold gefüllt war.
(aus Eckhart Tolle, Jetzt – Die Kraft der Gegenwart S.23)
In dieser Anekdote weist Eckhart Tolle, einer der größten spirituellen Lehrer unserer Zeit, auf den Körper als Mittel zur Erleuchtung hin. Anstatt in der Außenwelt zu suchen (bettelnd die Hand hinzuheben), wird die Freiheit, das Glück, die Erfüllung mitten im eigenen Körper gefunden. Dabei ist der sichtbare Körper nur die äußere Schale einer tieferen Realität. Der innere Schatz kann nur dann gehoben werden, wenn die Reise mit dem handfesten Körper und der Bejahung seiner Ausdrucksformen beginnt. Der Körper ist der Schatz, auf dem wir schon immer sitzen und dessen Geheimnisse viele Menschen gar nicht erahnen.
Wendet man sich ihm zu, schlüpft der suchende Mensch wie bei einer Geburt Stufe um Stufe in neue, weitere Räume des Inneseins hinein. Zuerst wird das Bewusstsein von der Beschäftigung mit der Außenwelt abgezogen und im Körper verankert. Im Laufe der Reise nach innen wird immer mehr das strömende, pulsierende Leben jenseits der äußeren körperlichen Form spürbar: Der innere Körper unsichtbar, formlos und nicht zu „fassen“ wird wach. Für diese Energie-Erfahrung wird sowohl ein immer größeres Feinfühlen vorausgesetzt als auch zugleich entwickelt. Körper und Sexualität verlassen die Umlaufbahn um den grobstofflichen Planeten Erde. Sie verweben sich durch Meditation und Spiritualität zu einer neuen Seinsebene.
"Wer sich allmählich hat befreit:
Vom Groben
Vom Feinen
Vom Feinsten,
vereint sich mit
dem Unerschöpflichen."
(aus: Wilhelmine Keyserling, Das Tantra der Befreiung, S. 15)
Er folgt dem Bewusstsein, das ihn lenkt. Ist das Bewusstsein nach außen gerichtet, wird der Körper zur Hauptfigur im Traum der Welt. Seine Sicherheit und seine Behaglichkeit stehen im Zentrum allen Bemühens. Er wächst, blüht auf, verwelkt und stirbt. Angst vor Schmerz, Leid, Krankheit und Tod halten ihn fest in der Schraubzwinge des Ego gefangen. Die Identifikation mit dem Körper und dem Verstand wird zum unheiligen Bündnis allen irdischen Leidens, das versucht, die Vergangenheit lebendig und die Gegenwart tot zu erhalten. Das Bewusstsein zersplittert in zusammenhanglose Fetzen einer sinnlosen Wirklichkeit.
… wird der Körper zum Tempel. Ein Tempel ist ein Gotteshaus, eine heilige Stätte. Den Körper als Tempel der Seele zu betrachten, ist ein erster großer Schritt auf dem Weg zu mehr Bewusstheit und Liebe. Ein Tempel ist nichts an sich. Zum "Gotteshaus" wird er erst durch den Altar in seinem Inneren. Dieser Altar ist die heilige Stätte, der Schatz, der tief im Körper verborgen ist. Auf dem Weg zu diesem inneren Heiligtum wird der Körper zu einem Versprechen der Freiheit. Mit jedem seiner Atemzüge führt er aus der Zeit heraus in die Zeitlosigkeit, aus dem Raum hinaus in unendliche, grenzenlose Weite.
Ein Artikel von Regina Heckert, veröffentlich im Connection-Magazin
Buch von Regina Heckert
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