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Shaktis Verweigerung
Beobachtungen in einer Tantragruppe (von Regina Heckert)

Bettfrust


Dieser Artikel wurde im Connection Tantra Special "Sehnsucht" veröffentlicht. "Erotik und Transzendenz oder die Kunst, im Begehren zu verweilen" lautet der Untertitel des Magazins. Regina Heckert beschreibt, wie schwer es Frauen manchmal haben, die körperliche Zuwendung eines Mannes, der perfekt auf sie eingestellt ist, anzunehmen. Das, was eine Frau am meisten ersehnt, nämlich bis ins Mark berührt zu werden, wehrt sie oft am meisten ab. Warum? Sie möchte den Zustand völliger Offenheit vermeiden, sondern in Kontrolle bleiben. Denn in der ganzen Hingabe wird sie gleichzeitig auch sehr verletzlich. Fühlt sich an wie ein Dilemma, oder? Zum Glück gibt es Tantra und viele Hilfen, sich für achtsames Lieben zu öffnen.

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Wo die Sehnsucht endet, beginnt das Erwachen

Jede Einschränkung birgt neue Möglichkeiten. Und jede enthält – wie auch ihr Gegenteil - das Potenzial zur völligen Freiheit. Nicht ob jemand monogam, in einer offenen Beziehung oder ganz beziehungslos lebt, spielt eine Rolle. Es geht auch nicht unbedingt darum, die Grenzen der jeweils gelebten Einschränkung zu überwinden. Das Irdische selbst, jeder Atemzug ist schon zu eng - und kann doch zugleich zur Erfahrung tiefer Gegenwärtigkeit führen. Nicht die äußeren Umstände erlösen, das haben wir an vielen Menschen gesehen, die mitten in den größten Widrigkeiten zu sich selbst fanden. Regina Schalck-Heckert setzt  als Tantralehrerin auf das „altmodische Paarmodell“ und nützt genau dieses, um mit Frauen gemeinsam zum vollen Frausein zu erwachen.

Bessere Männer gibt es nicht. Das weiß ich spätestens seit diesem Sommer:

Alle haben ihren kleinen Tempel geschmückt. Schon beim Betreten dieses heiligen Raumes werde ich erfasst vom Zauber der tantrischen Atmosphäre. Heute Abend beschenken Männer die Frauen nach einer gemeinsamen Einstimmung mit der Yoni-Heilmassage. Liebesworte öffnen die Herzen. Wahre Augen-Blicke lassen die Seele sprechen. Und dann sehe ich nur noch zahlreiche Wunder in Männergestalt: zarte, behutsame und bewusste Berührungen, Achtsamkeit und volles Dasein für die Frauen. Liebevolles Nachfragen, ganz in Verbindung bleiben miteinander. Fassbar ist es nicht. Immer wieder spüre und schaue ich, was hier geschieht. Bessere Männer als diese hier gibt es nicht. Jeden Einzelnen könnte man filmen, um jedes Frauenherz zum Schmelzen zu bringen. Denn jede Geste berührt und erfüllt alle Sehnsucht dieser Welt. 

Diese Männer tief innen zu empfangen mit einem tiefen Ja – was kann sich eine Frau sonst wünschen, um sich in ihrer ureigensten Weiblichkeit zu erfahren? Doch was sich nun zeigt, ist noch unfassbarer für mich als die beeindruckende männliche Liebesfähigkeit:  Eine Frau wälzt sich unruhig hin und her. Eine andere keift. Wieder und wieder.  Sie liegt irgendwie nicht richtig und alle Hilfsangebote, sie mit Kissen zu stützen, lehnt sie ab. Geduldig beginnt ihr Partner immer wieder von Neuem, den Kontakt mit ihr herzustellen. 

Was folgt dem Verzicht auf  das Ändern des Mannes?

Wach werden kann jede Frau, wenn sie sich den Herausforderungen stellt, die das Frausein der heutigen Zeit mit sich bringt. Frei von Angst authentisch ihren inneren Impulsen zu folgen in voller  eigener Wertschätzung ist jedoch manchmal mehr bloß Wunsch und angepeiltes Ziel als gelebte Realität.

X. möchte so gerne mehr genießen, was ihr Mann ihr schenkt. Doch leider stören sie die Geräusche des Nachbartempels. Dort weint eine Frau über sich selbst, weil sie nur Abwehr spürt. Ich schaue im Raum herum und sehe die fast kollektive Weigerung, zu empfangen. Den Mann zu nehmen und das, was er gibt.  Nur P. scheint zu genießen. Sie räkelt sich den liebenden Händen entgegen und lässt ihren ganzen Körper mitschwingen und antworten. Tränen tiefer Berührung wechseln mit Seufzern der Lust und der Freude. Der Mann schmilzt mit ihr weiter hinein in das gemeinsame Glück. 

Seit Jahren leite ich die Yonimassage an. Aber so extrem habe ich dieses Ritual noch nie erlebt. Wunderbare fein gestimmte Männer halten ihr Geschenk in der Hand. Und so viele Frauen sind nicht in der Lage, es anzunehmen. Mit allen möglichen Strategien halten sie sich das fern, was sie sich am meisten ersehnen. Am nächsten Tag im Frauenkreis bestätigt es sich. Eine große Bestürzung macht sich breit. Erst wenn die Sehnsucht erfüllt werden kann, beginnt durch die Erfahrung der eigenen Abwehr das Erwachen und die Selbsterkenntnis. 

Auch wenn es schwer fällt: immer mehr Frauen entscheiden sich dafür, ihre „Männerverbesserungsprojekte“ zugunsten eines Weges zur eigenen Bewusstwerdung  aufzugeben. Das ausgeklügelte Egospiel „Suche, aber finde nicht!“ hat die Sehnsucht nach trautem Heim – Glück allein allzu lange geschürt und für sich benutzt. Die Hoffnung auf das dauerhafte Happy-End der Liebe setzt sich permanent selbst schachmatt. Doch was der Illusion so lange getaugt hat, kann jetzt für das Erwachen genutzt werden: die herkömmliche Paarbeziehung ist der schnellste Weg zu Wahrheit und Liebe. Denn es genügt, nur einen einzigen Menschen von den Projektionen zu befreien, die unser Bild von ihm verzerren. Für die Frau ist der Mann, ihr Mann, der größte Lehrmeister. Das gilt auch umgekehrt – doch das soll nicht mehr die Sorge der Frau sein. Dort wo die meisten Projektionen toben, dort ist auch die größte Befreiung möglich. Warum also nicht die oft so belächelte traditionelle Paarbeziehung nutzen? Die Gefängnistür steht offen. Nur der Wunsch zu bleiben, hält noch gefangen. Das Tor zur Freiheit befindet sich im eigenen Geist! 

Ein Bereich, der bei vielen Frauen ganz und gar nicht im Lot ist, ist der Bereich der erotischen, der sinnlichen, der sexuellen Frau. Dort spiegelt sich deutlich ihre  Begrenztheit und Unfreiheit. Immer noch im Bann der letzten Jahrtausende quälen Frauen sich nur mühsam aus dem Keuschheitsgürtel  ihrer Vergangenheit. Auch was dem kleinen Mädchen eingetrichtert wurde, umschlingt die reife Frau immer noch wie ein Dickicht und da bleibt sie bisweilen freiwillig im Gefängnis ihrer Konditionierungen, weil es ihr so wunderbar bekannt, vertraut und sicher ist. 

Diese Zeitvergeudung im wohlbekannten alten Sumpf sollten sich Frauen nicht länger leisten. Das Leben, hier und jetzt, ist doch ein zu kostbares Gut! Die Zeit ist begrenzt, also  sollten Frauen sie nutzen! Jetzt! Sofort! Und jeden Augenblick! Nutzen für das Frau sein und die volle Freude daran!

Der Opferrolle ade sagen

Um mit einer Sexualität, die ihnen nicht gefällt, zurechtzukommen, gibt es für viele Frauen nur zwei Wege. Entweder sie leben sie gegen ihr inneres Gespür mit, oder sie verweigern sich. In beiden Fällen verleugnen sie sich selbst. Ein weiterer, dritter Weg aber ist die Chance, aufzuwachen und Verantwortung zu übernehmen: in Austausch und Kommunikation zu gehen, sich mitzuteilen und einfühlbar zu machen. 

Es scheint so, als wäre die Kluft zwischen Mann und Frau vielerorts unüberwindbar. Oberflächlich betrachtet können wir schnell verschiedene Bedürfnisse diagnostizieren und uns dann getrost wegen eindeutiger Hoffnungslosigkeit in den Sessel der Ohnmacht und Resignation sinken lassen. So bleiben wir besiegtes Opfer eines scheinbar frauenfeindlichen Schicksals. Die Opferrolle aufzugeben bedeutet, sich mit einer neuen, von Selbstverantwortung geprägten Identität anzufreunden. Doch diesen Weg muss eine Frau nicht alleine gehen! Frauen können sich gegenseitig helfen und unterstützen, indem sie zusammenrücken.

Verantwortung übernehmen

Jede Frau ist voll verantwortlich für ihre Handlungen, Gefühle, ja sogar Gedanken. Wir wissen inzwischen, dass Gedanken Wirkungen haben und Form hervorbringen auf verschiedenen Ebenen. Genauso wie diese Erkenntnis erschrecken kann, zeigt sie zugleich den Weg in eine neue ungeahnte Freiheit. Damit Frauen diese volle Verantwortung übernehmen können, ist es zunächst wichtig, sich der alten Verhaltens- und Denkmuster bewusst zu werden. Ob sie äußerlich oder innerlich klagen, jammern, nörgeln, Vorwürfe machen, verweigern, angreifen tut zunächst nicht viel zur Sache. Es wahrzunehmen, ist das Entscheidende. Was  erkannt ist, kann auch verändert werden. Die Bewusstwerdung geschieht auf vielen Ebenen. Am leichtesten zugänglich ist die individuelle Lebensgeschichte, die Kindheit und alle sexuellen Erfahrungen als Frau: die Situationen, in denen die so leicht verletzliche Empfangsbereitschaft gelitten hat und unter zum Teil traumatischen Erfahrungen begraben wurde. Sexueller Missbrauch, Vergewaltigung - auch die eigene - bieten Gelegenheiten zur „Wiedergeburt“ durch die Heilung alter Wunden. Auch die kollektive Frauenvergangenheit sitzt in allen Poren. In diese ungeheuerlichen Tiefen von Schmerz und Leid können Frauen leichter gemeinsam schauen. Die Aufstellungsarbeit hat uns noch eine weitere Erkenntnisquelle zur Verfügung gestellt. Frühverstorbene im Familiensystem, Nonnen und Priester oder etwa der Tod der Urgroßmutter im Kindbett können zu Identifikationen führen, die hier und jetzt Sexualität und Liebeslust ersticken. Und sollten wir das alles aufgeräumt haben, bietet die Reinkarnationstherapie noch weitere Möglichkeiten, Blockaden und Hindernisse aus dem Weg zu räumen.

Die bisherigen Muster werden bewusst

Am deutlichsten ist die Begegnung mit dem Hier und Jetzt. Eben gerade im Bett. Was da geschieht, enthält das ganze „Aufwachsortiment“.

Die Frau nimmt wahr, dass sie

  • gerade das „Fordern-Verweigern-Spiel“ in Gang hält
  • die sexuelle Begegnung möglichst schnell hinter sich bringen will, damit „er“ nicht so genau auf ihre unperfekten Körperstellen schauen kann,     
  • schon wieder einen Orgasmus vortäuscht, obwohl sie sich fest vorgenommen hatte, es  nie mehr zu tun
  • nicht sagt, dass sie Lust verspürt, weil er so müde ist, 
  • nach seinem Orgasmus so tut, als hätte es auch ihr Spaß gemacht
  • noch Zeit braucht bis zum Eindringen, es aber nicht sagen kann 
  • gerne sanfter lieben würde 
  • es jetzt noch einmal mitmacht, aber garantiert bald das Thema ansprechen will   
  • Sex gleich lieber ganz vermeidet, um sich nicht in eine solche Lage zu  bringen    
  • es wenigstens dem Mann recht macht, wenn sie schon nicht viel davon hat 
  • nichts empfindet und glaubt, sie ist nicht in Ordnung
  • sie Schmerzen hat, aber noch bis zu seinem Samenerguss durchhalten will
  • es gerade so oft tut, wie es nötig ist, damit er sie nicht verlässt.

Jeder Leserin steht es frei, diese Liste nach Belieben zu verlängern.

Kommunikation

Genau diese „heimlichen Wahrnehmungen und Tätigkeiten“ zu offenbaren ist der notwendige nächste Schritt. Erst dieser wendet nämlich wirklich die Not. „Wie soll ich es meinem Partner sagen, dass ich seit neun Jahren Orgasmen vortäusche? Ich kann doch nicht sagen, dass mir Sex immer nur weh tut! Wenn er meine wirklichen Bedürfnisse zu hören bekommt, verlässt er mich!“  Frauen in den Frauengruppen brauchen manchmal fast das ganze Frauenjahr, bis sie sich „gewappnet“ genug fühlen, die „Karten auf den Tisch“ zu legen. Doch erst die Wahrheit, die ganz individuelle, kann Veränderung in Gang bringen. Sie mutig auszusprechen, heißt, das Gefängnistor zu verlassen.  Dieser Schritt ist für manche so schwer, dass sie lieber weiter leiden.

Das Erforschen der wirklichen Bedürfnisse

Allein oder im geschützten Frauenkreis steht jetzt eine Forschungsreise an. Das größte Hindernis bei dieser Etappe ist die Faulheit der Frau. Gewohnt, dem Mann die Schuld zuzuschieben und selbst nur zu warten und zu urteilen, fällt das Neue schwer, denn  jetzt ist Handeln angesagt: den Körper erforschen, selbst die Berührungen zu entdecken, die Lust und Freude bereiten. Gemeinsam mit den anderen Frauen gelingt es besser. Jede einzelne Frau trägt so ihren Teil bei zur Entwicklung und Entfaltung der wirklichen weiblichen Lust, die in noch keinem Buch geschrieben steht.

Das Äußern und Vermitteln  der eigenen Bedürfnisse

Die nächste Hürde heißt: Wie transportiere ich dieses Wissen zu meinem Partner? Eine seit dreißig Jahren verheiratete Frau traut sich immer noch nicht, die Fragen ihres Partners nach ihren sexuellen Wünschen zu beantworten. Doch genau das kann geübt werden. Unter Frauen. Also geht es erneut an die Arbeit: Zeigen, Feedback, Austausch, und noch einmal von vorne. Frauen haben die Tendenz, schon nach einem Fehlversuch, die gewünschte Berührung zu bekommen, den ganzen Versuch aufzugeben. Doch warum sollten sie auf halber Strecke stehen bleiben und sich mit weniger als allem begnügen?

Widerstände im Partner

Die sexuelle Kommunikation ist eine Kunst. Schon der kleinste  Vorwurf als Unterton oder ein forderndes Verhalten können Abwehr und Widerstand im Mann verursachen. Sowieso ist es der „traditionelle“ Mann nicht gewohnt, dass die Frau ihm etwas sagt und zeigt. Auch für ihn ist diese Situation verletzliches Neuland. Wenn Frauen zu Kamala werden, der Liebeslehrerin, so müssen sie um diese starke Empfindlichkeit des Mannes wissen und sehr einfühlsam führen. 

Die Führung übernehmen

Will eine Frau dem Mann die neuen Tanzschritte ihrer weiblichen Lust beibringen, so braucht es Übungszeit, bis die Schritte fest verankert sind und frei verfügbar. Bis dahin ist die Frau in der Rolle der Lehrerin. Zu frühe Hingabe bringt sie schnell wieder in das alte Fahrwasser der Aufopferung oder Verweigerung. Aber wie groß ist die Freude, wenn er sie dann hinein(ver)führt in die seligen Wonnen ihrer Himmelslust und mit ihr „Himmelsbrot nascht“. Dann braucht sie keine Kontrolle mehr und kann im Tanze schweben, ganz Frau sein,  ganz Hingabe.

Die Kraft des Frauenkreises

Wenn sich Frauen in diesem Umlernprozess hin zu mehr Freude am Frausein mit anderen Frauen verbinden, entsteht ein starkes Energiefeld. Eingebettet in den noch größeren Kreis der Frauen dieser Welt wird der Blick über die Grenzen des Konkurrenzkampfes hinaus möglich: Das gemeinsame Ja zum individuellen und kollektiven Frauenschicksal trägt. Sich im Kraftstrom der Frauen tragen, nähren, inspirieren und ermutigen zu lassen, ist die große Chance für jede einzelne Frau.  Die tragfähige Brücke, die so entsteht führt natürlich zu den Männern.

Das Ziel meiner Arbeit ist es, die neue Intimität zwischen Mann und Frau zu entwickeln. Sie stellt zunächst die Frau als Liebeslehrerin in den Mittelpunkt zum Wohle aller. Sie braucht den starken Bezug zum Alltag, denn diesen will sie heilsam und dauerhaft verändern. 

Dürfen wir also mit Wundern rechnen? O ja! Denn was ist ein Wunder anderes als die Berichtigung im eigenen Geist? Das Ergebnis ist eine neue und weitere Sicht, freier von Urteil und Anmaßung. Und vor allem von Überheblichkeit den Männern gegenüber. Ich setze ganz auf das geistige Gesetz: Alles, was wir Frauen  aussenden zu den Männern, kommt zu uns zurück. Wenn in diesem Austausch etwas fehlt, so könnten wir selbst es hinein geben. Was also zeigt mir meine ungestillte Sehnsucht? Wo es noch hapert bei mir. Denn während ich mich nach Liebe sehne, liebe ich nicht! 

Kann also ein Mann die Sehnsucht einer Frau stillen? Was eine Frau wirklich sucht, kann kein Mann dieser Welt erfüllen. Und er muss es auch nicht. Doch sie wird erwachen, sobald sie mit der Freude am eigenen Wachstum sich in ihm zu spiegeln vermag.

(Artikel von Regina Heckert im Connection Tantra Special "Sehnsucht")

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