Wer nicht wächst, schrumpft
Teresa erkennt die Notwendigkeit eines erfahrenen Meisters als Seelenführer, um alle innerlich auftauchenden Erfahrungen besprechen zu können und Trugbilder von echten Visionen unterscheiden zu lernen. Niemand, der einmal begonnen hat, kann ohne Schaden zu nehmen, wieder umkehren. „Wer nicht wächst, schrumpft ein“. (* 5) Anstrengung, Aufmerksamkeit, Willenskraft, Konzentration, Entschlossenheit und der Verzicht auf ein oberflächliches Dahinleben sind notwendiger Reiseproviant im Rucksack. Dennoch ist der Gang nach innen nichts Gewaltsames. „Die Kräfte der Seele müssen sanft geleitet werden“ (*6). Die Seele soll nicht eingeschränkt oder bedrängt werden: „Sie muss alle Wohnungen der inneren Burg frei durchschreiten können, nach oben und nach unten und nach allen Seiten.“ (* 7)
Schenkt uns Teresa auch das Bild der inneren Burg, bei der sie alle sieben Wohnungen nacheinander beschreibt, so gibt sie dennoch zu bedenken, dass es vor Gott kein Rechnen gibt. Die Wege sind so unterschiedlich wie die Menschen, die sie gehen. Manch´ einer erfährt nach zwanzig Jahren Praxis noch nicht wirkliche Kontemplation, ein anderer schon nach einem Jahr. Auch gelangt nicht jeder, der fleißig praktiziert bis zur siebten Wohnung. Ab und zu darf man jedoch unerwarteter Weise Einblicke in andere Wohnungen haben. Überhaupt werden einem viele Wonnen und Gnaden auf dem inneren Weg zuteil, nicht, um zu ergötzen, sondern um unseren Glauben durch Erfahrung zu stärken.
Demut
Das Fundament, auf dem die innere Burg ruht, ist neben der regelmäßigen Praxis die Demut. Wo sie fehlt, kann die Seele nicht weiterwandern. Zeiten der Dürre, das heißt Lebensphasen und Meditationen ohne das Gefühl der Verbindung nach innen, sind hauptsächlich dazu da, diese Demut wachsen und reifen zu lassen. Denn, so sagt Teresa: Je mehr man sich müht, nach innen zu kommen, desto mehr erfährt man, dass alles Gnade ist. Es ist sicherlich nicht leicht, die ausführlichen Schilderungen der sieben Stufen des Inneseins in wenigen Worten zu beschreiben. Insofern wird eine kurze Zusammenfassung der im Buch gegebenen umfangreichen und detaillierten Weisung durch Teresa keinesfalls gerecht. Dennoch möchte ich den Versuch wagen, vielleicht auch, um denjenigen, die nicht nur lesen, sondern von innen heraus verstehen, Appetit zu machen auf die Ursprungstexte.
Die erste Wohnung der Seelenburg:
Für diejenigen, die sich daran gewöhnt haben, sich nur mit äußeren Dingen zu befassen, ist es völlig undenkbar, jemals in sich zu gehen. Es gibt jedoch (gerade in unserer heutigen Zeit) viele Menschen, die dazu bereit sind. Sie meditieren schon gelegentlich, aber ansonsten stecken sie in „tausend Geschäften, mit denen ihre Gedanken fast immer umgehen.“ (*8) Nur selten gelingt es ihnen, dem Alltag äußere Zeit für den Weg nach innen abzutrotzen. Wenn es schließlich so weit ist, sieht es aus, als gewönnen sie dadurch nichts: Der rasende Verstand tobt und treibt sie an. Sie sitzen zwar äußerlich still da, aber innerlich tobt der Verstand wie ein wildes Tier. Oft genug bringt er sie so weit, dass sie das Meditationskissen wieder verlassen, um sich dem mitreißenden Strom der Aktivitäten hinzugeben. „Mit ihnen dringt so viel Gewürm ein, dass sie weder die Schönheit der Burg zu sehen vermögen, noch zur Ruhe kommen können. Schwer genug ist es ihnen gefallen, überhaupt hereinzukommen.“ (*9) Deshalb können sie das Licht, das aus dem Inneren der Burg unaufhörlich leuchtet, noch nicht sehen: „Es ist, wie wenn jemand irgendwo hineinkommt, wo viel Licht hereinfällt, doch seine Augen sind mit Lehm verschmiert, so dass er sie kaum öffnen kann. Der Raum ist hell, aber die Seele genießt es nicht, weil dieses wilde Getier sie daran hindert.“ (*10)
Lernen sich zu befreien
Deshalb kehren einige wieder um und begnügen sich mit der gewohnten Außenwelt. Wer aber weitergehen will, muss lernen, sich von unnötigen Dingen und Geschäften zu befreien. In jedem der unzähligen Gemächer der ersten Wohnung wimmelt es von Dämonen( Stress, Urteilen, Angriffsgedanken, übertriebener Eifer, Ängste, Feigheit, Kriecherei, sich zuviel vornehmen, Unwillen usw.), die das Vorwärtsschreiten verhindern. Sie mithilfe der inneren Quelle zu meistern, lässt die Seelenkräfte erstarken. Schließlich wird jeder wahrlich Suchende erkennen, dass er nie etwas aus eigener Kraft erreicht hat: „Die natürlichen Kräfte des Menschen sind Strohhalme im Vergleich zur alles verwandelnden göttlichen Kraft.“ (*11)
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